Seelenkaffee

Tief in Gedanken versunken, gehe ich durch die Nacht. Es fängt an zu schneien. Jetzt spüre ich auch meine grosse und tiefe Müdigkeit. Eine Tasse heisser Kaffee, das wäre das Richtige. Darauf habe ich grosse Lust. „Gute Idee“, denke ich und klopfe mir innerlich auf die Schultern. Aber in dieser Strasse gibt es kein Kaffeehaus. Schliesslich gehe ich Tag für Tag diesen Weg und habe bis heute keine Gaststätte oder etwas Ähnliches entdeckt.

Ich schaue mir die Lichter in den Fenstern an, sehe tanzende Schneeflocken, eine wunderschöne Stimmung. Alles ist hell und jungfräulich rein. Der Neuschnee hat der Strasse und der Natur ein weisses Kleid angezogen.

Dann, auf der rechten Seite, steht ein Haus. Die Fenster sind hell erleuchtet. Es gibt Lichterketten, Sterne und noch mehr Lichter. Die Weihnachtsbeleuchtung sieht einladend und heimelig aus. Mir wird warm ums Herz. Während des Tages habe ich dieses Haus bis heute nicht sehen können. Neu kann es nicht sein, denn es sieht ziemlich alt aus. Doch geht eine unwiderstehliche Anziehungskraft von diesem Haus aus. Eine starke, aber auch liebevolle Kraft, der ich mich nicht entziehen kann. Ich gehe näher darauf zu. Es ist, als ob mich etwas Unsichtbares dahinziehen will.

Die Tür steht einen Spalt offen. So, als ob sie mich rufen möchte. Eine Welle von Licht und Wärme dringt durch den Spalt, Stimmen sind zu hören. Ein Lachen dringt an meine Ohren. Es hört sich nach Fröhlichkeit, es hört sich nach Leben an. Oberhalb der Türe ist ein Schild befestigt. „Seelenkaffee“ steht hier in schwungvoller Schrift geschrieben. Also gibt es doch ein Kaffeehaus in dieser Strasse? Ich mache mir keine weiteren Gedanken, denn jetzt möchte ich unbedingt einen heissen Kaffee haben, und da wird es sicher eine Tasse geben.